IGLU Belgien

2007 wurden die Lese- und Orthografiekompetenzen von Grundschulkindern in der Deutschsprachigen Gemeinschaft untersucht. Die Ergebnisse lassen auf Stärken und Schwächen der Viertklässler in der DG schließen. Sie sind alles in allem zufriedenstellend, deuten jedoch auf Handlungsbedarf hin.

Die Studie ermöglicht den Vergleich der Lesekompetenz der Viertklässler in der Deutschsprachigen Gemeinschaft mit den Ergebnissen der internationalen Lesestudie PIRLS aus dem Jahr 2006. Zusätzlich wurde die Orthographiekompetenz der Schüler mit einem für IGLU Deutschland 2006 entwickelten Test erhoben.

Die in der DG geprüften Schüler erreichten einen Mittelwert von 531 Punkten. Die DG liegt damit weit über dem internationalen Mittelwert von 506 Punkten. Wie bei PISA 2006 schnitten die Schüler schlechter ab als ihre flämischen Altersgenossen (547 Punkte), erzielten jedoch ein besseres Resultat als die Schüler in der Französischen Gemeinschaft (500 Punkte).

Ergebnisse

Zu den positiven Ergebnissen gehört die geringe Leistungsstreuung in der DG. Der Unterschied zwischen schwachen und starken Schülern dürfte nicht zuletzt auf den wirtschaftlichen und sozialen Kontext zurückzuführen sein. Vermutlich erlaubt die hohe Lebensqualität und das vergleichsweise angenehme soziale Umfeld den Schulen, Leistungsunterschiede auszugleichen.
Lobenswert ist auch die - schon durch PISA 2006 belegte - Tatsache, dass in der DG ein relativ geringer Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Lesekompetenz besteht. Besonders erfreulich ist, dass die DG im Bereich der Lesekompetenz den geringsten Leistungsunterschied zwischen Mädchen und Jungen aufweist. Allerdings geben nur 11% der Mädchen, aber 21% der Jungen an, dass sie nie oder fast nie zum Spaß lesen.

Die IGLU-Studie hat neben diesen positiven Resultaten jedoch auch Schwächen der DG zutage gefördert. So erzielten die meisten ihrer Nachbarn (die Flämische Gemeinschaft, die Niederlande, Deutschland und Luxemburg) eine bessere Leistung. Schlechter als die DG schnitt neben der Französischen Gemeinschaft u.a. Frankreich ab.

Schlussfolgerungen

  • Die Kinder, die sich auf den beiden niedrigsten der insgesamt fünf Kompetenzstufen befinden, müssen gefördert werden.
    Es befinden sich zwar nur 1,6 % der Viertklässler auf der schwächsten Kompetenzstufe I; allerdings erreichen immerhin 14,7 % der Kinder nur die Stufe II. Die Kinder, die sich auf den beiden niedrigsten Stufen situieren, gehören zu den sogenannten "Risikokindern", da sie aller Voraussicht nach überdurchschnittlich oft Schwierigkeiten haben werden, einen Beruf zu erlernen.

  • Der Anteil der Schüler auf den beiden höchsten Kompetenzstufen muss erhöht werden.
    Die Kompetenzstufe III ist mit 45,1 % die am stärksten vertretene Gruppe in der DG. Die Kinder, die sich auf dieser Stufe befinden, gehören zwar nicht mehr zu den "Risikokindern", dennoch müssen auch sie gefördert werden, da ihnen wesentliche Kompetenzen fehlen. So können sie beispielsweise nicht die Hauptgedanken eines Textes erfassen und erläutern und sind nicht fähig zu abstrahieren, zu verallgemeinern und ihre Präferenzen zu begründen.

    In der DG wurde eine Tendenz zur Mitte beobachtet: Nur 4,6 % der Viertklässler - d.h. bedeutend weniger als der internationale Mittelwert - erreichen das höchste Kompetenzniveau, gleichzeitig situieren sich jedoch auch nur 1,6 % unserer Viertklässler auf der niedrigsten Kompetenzstufe.
  • Die "wissensbasierten Verstehensleistungen" müssen verbessert werden.
    In den ‚textimmanenten Verstehensleistungen' erzielten die Schüler zufriedenstellende Resultate. Sie waren fähig, explizit angegebene Informationen zu erkennen und wiederzugeben und einfache Schlussfolgerungen zu ziehen. In den ‚wissensbasierten Verstehensleistungen' haben sie jedoch schlecht abgeschnitten. Sie waren nicht in der Lage, komplexe Schlussfolgerungen zu ziehen und zu begründen, das Gelesene zu interpretieren und Inhalt und Sprache zu bewerten. In keinem Land ist der Unterschied zwischen den ‚textimmanenten' und den "wissensbasierten" Verstehensleistungen so groß wie in der DG.
  • Die Lesemotivation und -sozialisation muss verbessert und die Elternarbeit gezielt gefördert werden.
    Da in der Regel ein Zusammenhang zwischen Leseleistung und Lesemotivation besteht, weil motivierte Leser häufig besser lesen, sollte die DG die Lesemotivation der Schüler stärken. Neben Lesefertigkeit und -strategien müssen auch Lesefreude und -interesse entwickelt werden.
    In der DG herrscht eine vergleichsweise schwache Lesesozialisation. Eltern sollten daher vermehrt über die Schlüsselbedeutung der Lesekompetenz im Informationszeitalter und über ihre Vorbildfunktion in diesem Bereich informiert werden.


Im Mai 2008 stellte Prof. Wilfried Bos, Direktor des Instituts für Schulentwicklungsforschung in Dortmund, die wichtigsten Ergebnisse der IGLU-Studie in der Deutschsprachigen Gemeinschaft vor. Im Download finden Sie die Powerpoint-Präsentation, die eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des Gesamtberichtes bietet. Für eine detaillierte Darstellung verweisen wir auf die Publikation: Wilfried Bos, Sabrina Sereni, Tobias C. Stubbe (Hrsg.): IGLU Belgien. Lese- und Orthographiekompetenzen von Grundschulkindern in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Münster: Waxmann Verlag 2008.