Ohnmacht-„Spiele“

Namen für die Hyperventilations- und Würgespiele gibt es viele: Halstuchspiel, Tomatenspiel, jeu du foulard, jeu de la tomate, jeu de la grenouille, rêve indien, rêve bleu, rising sun … Hinter diesen harmlosen Bezeichnungen verbirgt sich eine gefährliche Praxis, die jedes Jahr zahlreiche Todesopfer fordert.

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Bei Ohnmachtsspielen würgen sich Kinder und Jugendliche allein oder in Gruppen mithilfe von Bändern, Schals, Gürteln oder mit bloßen Händen. Neben diesen sogenannten Würgespielen gibt es „Spiele“, bei denen sich Kinder in einen Hyperventilationszustand versetzen, indem sie ihre Atmung umstellen und wiederholt schnelle Kniebeugungen machen.

Durch das Würgen wird die Blutzufuhr zum Gehirn blockiert. Der Sauerstoffmangel im Gehirn bewirkt Schwindelgefühle, die bis zur Ohnmacht führen können. Dabei können bei den Kindern und Jugendlichen außergewöhnliche Empfindungen entstehen wie Rauschzustände, visuelle und auditive Halluzinationen, Visionen. Nach dem „Erwachen“ empfinden die Kinder und Jugendlichen häufig ein Entspannungs- und Wohlgefühl. Dieses Empfinden kann zum Rückfall und sogar zu einer – mit der Drogensucht vergleichbaren – Abhängigkeit führen. Die Gefahr entsteht dann, wenn die Kinder und Jugendlichen den Versuch allein zu Hause unternehmen.

Die Risiken

Die Kinder und Jugendlichen, die diese „Spiele“ praktizieren, haben oftmals keine Ahnung, welcher Gefahr sie sich aussetzen. Sie glauben, das „Spiel“ unter Kontrolle und die dadurch provozierten Gefühle im Griff zu haben.
Sie wissen nicht, dass diese Praktiken ihre Gehirnzellen (die Neuronen, die sich nicht erneuern) zerstören und so die vorzeitige Alterung des Gehirns sowie schlimme physische und psychomotorische Schäden hervorrufen:

  • partielle oder vollständige Lähmung, Blindheit, Taubheit, mentale Regression
  • Hirnödem, Hirnblutung 

Dabei ist nicht einmal das Ersticken die größte Gefahr, sondern der plötzliche Herzstillstand, der aus dem Sauerstoffmangel im Gehirn resultiert.

Das para-sympathische Nervensystem, das in unserem Organismus die Verlangsamung gewisser Organe z. B. des Herzens bestimmt, kann bei akutem Sauerstoffmangel im Gehirn einen Herzstillstand auslösen, der häufig fatale (Tod) oder dramatische Folgen (bleibende Hirnschäden, psychische und physische Behinderung) hat.

Die Symptome

Es gibt keine Symtome im herkömmlichen Sinn, die zweifelsfrei auf Praktiken schließen lassen, die die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen. Dennoch gibt es eine Reihe von Warnsignalen:


Körperliche Symptome

  • Rötungen oder Spuren am Hals, die die Betroffenen mit einem Schal oder Rollpullover zu verbergen versuchen
  • rote, blutunterlaufene Augen, Blutungen im Augapfel
  • kleine bläulichrote Flecken im Gesicht
  • starke Kopfschmerzen
  • Ohrensausen
  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Geistesabwesenheit (Blackout)

Verhaltensauffälligkeiten

  • Tendenz zur Isolierung, geschlossene Zimmertür
  • unübliches Herumliegen oder -hängen von Gürteln, Schals und Bändern im Zimmer
  • Gereiztheit
  • verdächtige Fragen des Kindes/Jugendlichen über das Würgen, Ersticken …

Aufklärung?

Weisen wir unsere Kinder auf die Gefahren im Straßenverkehr hin, auf die Risiken, die mit dem Konsum von Alkohol und Drogen verbunden sind? Natürlich tun wir das, es ist unsere Aufgabe. Manche werden unsere Warnungen und Verbote ignorieren, andere nicht. Alle müssen jedoch erst einmal die Ohnmachtsspiele und anderen gefährlichen Spiele als riskante Praktiken erkennen. Deshalb müssen die Kinder aufgeklärt werden, nur so können weitere Dramen verhindert werden.

Die Anzahl Opfer und schwerer Unfälle, die diese Praxis gefordert hat, sowie ihre wachsende Bekanntheit sollten alle Eltern und Bezugspersonen dazu veranlassen, sich über diese Praktiken zu informieren. Erst dann können sie mit den Kindern sachkundig über die Gefahren sprechen. 

Aufklären, aber wie?

Gefährliche Spiele müssen vorsichtig und methodisch thematisiert werden. Das Alter der Kinder und der Kontext müssen berücksichtigt werden. Die effizienteste Prävention besteht darin, den Kindern nach einer offenen Diskussionsrunde die körperlichen Risiken darzulegen, ohne zu dramatisieren. Auf die gefährlichen Praktiken können die Erwachsenen zu sprechen kommen, indem sie die Rolle der Atmung, des Herzens, des Gehirns erklären und dabei die Risiken unterstreichen, die durch die Beeinträchtigung dieser natürlichen Vorgänge entstehen.

In der Schule

Eine Präventionsaktion zu diesem Thema sollte immer erst in Rücksprache mit der Schulleitung und nach Benachrichtigung von Kaleido Ostbelgien erfolgen. Die Aufklärungsarbeit muss von einer sachkundigen Person durchgeführt werden. Diese muss aufgrund der Nachahmungsgefahr jede dramatisierende Darstellung vermeiden und auf ihre Wortwahl achten, damit bei den Kindern keine Faszination und kein falsches Interesse für diese „Spiele“ entstehen.

Zu Hause

Wenn Sie ein Risikoverhalten bei Ihrem Kind vermuten oder dieses Problem thematisieren möchten, dann sprechen Sie Ihr Kind ohne Tabu darauf an.

Lassen Sie Ihr Kind erst frei zu Wort kommen, ohne es zurechtzuweisen oder eine autoritäre Position einzunehmen. Fragen Sie es, ob es in der Schule oder bei Freunden schon von diesen gefährlichen Spielen gehört hat. Falls nötig können Sie zum Gesprächseinstieg das ein oder andere Beispiel aus der Presse anführen.
Erklären Sie ihm, was ein „richtiges Spiel“ ist, etwas, das Freude bereitet und Fortschritt ermöglicht. Klären Sie es anschließend über die wesentliche Bedeutung der Atmung und über die Funktion des Sauerstoffs im menschlichen Körper auf, der Energie und Leben spendet. Erläutern Sie die fundamentale Rolle des Gehirns. Erklären Sie Ihrem Kind, dass das Gehirn nicht nur unsere Gedanken und Handlungen, sondern alle Organe steuert, auch jene, die wir nicht kontrollieren können, wie das Herz und die Lungen. Erklären Sie ihm abschließend, dass jede absichtliche Beeinträchtigung der Durchblutung und der Atmung schwerwiegende Folgen hat (Hirnschäden, Bewusstlosigkeit, Koma) und sogar tödlich enden kann (Herzstillstand).

Sie können auch Hilfe in Anspruch nehmen: Sprechen Sie z. B. mit der Schulleitung
oder Ihrem Arzt.